Museo Castello San Materno

15. Mai - 4. September 2022

Lovis Corinth
Meister der Farbe - Meister der Grafik

Dem deutschen Maler, Zeichner und Grafiker Lovis Corinth (1858-1925), der neben Max Liebermann und Max Slevogt als der bedeutendste Vertreter des deutschen Impressionismus gilt, ist die Sonderausstellung Lovis Corinth. Meister der Farbe - Meister der Grafik in den Räumen des Museo Castello San Materno gewidmet. Im Mittelpunkt stehen Gemälde, aber vor allem seine mannigfaltigen Werke auf Papier. Neben Aquarellen und Zeichnungen wird erstmals eine bedeutende Sammlung von originalen Druckplatten des Künstlers präsentiert - gemeinsam mit heutigen dokumentarischen Abzügen von den Kupferplatten. Falls möglich, ist der Radierplatte zusätzlich auch die vom Künstler signierte Radierung zur Seite gestellt.

Wie in den Gemälden setzt sich Lovis Corinth auch in den Arbeiten auf Papier mit den gleichen Themen auseinander: mythologischen und religiösen Motiven, Aktdarstellungen, Stillleben, Landschaften sowie Porträts von seiner Familie und guten Freunden. Darüber hinaus findet sich auch eine ebenso intensive Auseinandersetzung mit dem Selbstbildnis.

Das Werk von Lovis Corinth in dieser besonderen und umfangreichen Auswahl zeigen zu können, verdanken wir den Leihgaben aus einer norddeutschen Privatsammlung. Einer Kollektion, die über viele Jahre zusammengetragen wurde und uns die große Vorliebe des Sammlers für das fulminante zeichnerische und grafische Werk aus allen Schaffenszeiten des Künstlers vor Augen führt.

Die Ausstellung, kuratiert von dem Kunsthistoriker Harald Fiebig, ist ein Projekt der Kulturstiftung Kurt und Barbara Alten, Solothurn, in Kooperation mit dem Museo Comunale dʼArte Moderna und der Gemeinde Ascona.

Lovis Corinth wird 1858 im ostpreußischen Tapiau (heute Gwardeisk/Russland) geboren. Sein Vater Franz Heinrich und seine Mutter Amalie Wilhelmine Corinth betreiben eine Gerberei sowie eine Landwirtschaft. Der Junge besucht in Königsberg (heute Kaliningrad) das Gymnasium, wo sein Interesse an der griechischen und römischen Mythologie und den Geschichten der Bibel geweckt wird. Der Vater unterstützt die künstlerischen Bestrebungen seines Sohnes und ermöglicht ihm eine umfassende, traditionelle Ausbildung an den Kunstakademien von Königsberg (1876-80) und München (1880-84) sowie daran anschließend einen Aufenthalt in Antwerpen und ein mehrjähriges Studium an der angesehenen privaten Académie Julian in Paris (1884-87), wo Corinth sich vor allem dem Aktstudium widmet. In der Kunstmetropole der Moderne aber interessiert sich der angehende Künstler nicht für die Avantgarde, sondern widmet sich klassischen Bildthemen und versucht im offiziellen, traditionsreichen Salon mit biblischen und mythologischen Themen Anerkennung zu erlangen.

Er kehrt nach Deutschland zurück, hält sich zeitweise in Königsberg und Berlin auf, um schließlich 1891 nach München überzusiedeln, das in dieser Zeit zu den bedeutendsten Kunstzentren weltweit zählt. Hier wendet er sich der Akt- sowie der Landschaftsmalerei en plein air zu und fertigt erste Porträts von Freunden und Künstlerkollegen. Intensiv beschäftigt er sich, ganz in der Tradition und Auseinandersetzung mit den Alten Meistern, mit der griechischen und römischen Mythologie sowie biblischen Geschichten. Durch neuartige Bildfindungen, vor allem aber durch eine zeitgenössische Figurenmalerei verortet er diese stärker in der eigenen Gegenwart. Die Kunstkritik steht den Werken zunächst äußerst kritisch gegenüber.

Ab 1891 widmet sich Corinth zunächst der grafischen Technik der Radierung und kurze Zeit später der Lithografie.

Von 1896 ab wendet er sich verstärkt dem Selbstbildnis zu. In einer Vielzahl von Gemälden, weit über 140 Zeichnungen sowie zahlreichen grafischen Arbeiten setzt er sich mit seinem Selbstverständnis als Künstler sowie der Endlichkeit des eigenen Lebens auseinander.

1890 erhält er für sein Gemälde Pietà im Pariser Salon eine mention honorable, ein Jahr später bekommt er erstmals die Gelegenheit, seine Werke auf der Münchener Jahres-Ausstellung von Kunstwerken aller Nationen im Königl. Glaspalaste auszustellen und wird dort 1895 für sein Bild Kreuzabnahme mit der Zweiten Goldmedaille geehrt. Aber trotz dieser bemerkenswerten Anerkennungen bleiben die großen künstlerischen Erfolge für Lovis Corinth in München aus und auch sein kunstpolitisches Wirken ist nicht sonderlich erfolgreich. Zwar gründet er 1892 mit Max Liebermann, Wilhelm Trübner und anderen die Münchener Secession, doch schon ein Jahr später verlässt er sie und ruft zusammen mit Max Slevogt die Freie Vereinigung der XXIV ins Leben.

Erneut rückt Berlin in Corinths Fokus. Nicht nur, weil die Stadt sich mehr und mehr zur bedeutenden Kunstmetropole entwickelt oder die Berliner Galerie Fritz Gurlitt 1897 erstmalig seine Zeichnungen, Radierungen und Lithografien zeigt, sondern vor allem, weil sein Gemälde Salome in der Berliner Secession große Aufmerksamkeit erfährt, nachdem es 1900 von der Jury der konservativen Münchener Secession zurückgewiesen wurde. "žMünchen ist mir in vieler Beziehung verleidet", so Corinth "žund ich habe keine Lust, mich bei den Schafsköpfen irgendeiner dortigen Partei Liebkind zu machen und ohne das geht es nicht. Auch sonst ist mir das Leben langweilig geworden, dagegen Berlin: Frack, Lackschuhe -."

Im Herbst 1901 übersiedelt der Künstler endgültig nach Berlin. Und noch im gleichen Jahr erhält er durch die Vermittlung seines Malerkollegen Walter Leistikow einen ersten vergüteten Porträtauftrag, dem zahlreiche weitere Bildnisse von gesellschaftlich angesehenen Persönlichkeiten folgen. Ebenfalls 1901 eröffnet Corinth seine Malschule für Akt und Portrait. Eine seiner ersten Schülerinnen ist Charlotte Berend (1880-1967), seine spätere Frau, Mutter seiner beiden Kinder und bevorzugtes Modell für zahlreiche Gemälde, Zeichnungen und Grafiken. Corinth wird zudem Mitglied der Berliner Secession, bereits 1902 in deren Vorstand gewählt, einige Jahre später zum Vorsitzenden und nachfolgend zum Präsidenten berufen. Er arbeitet mit dem Schauspieler, Regisseur und Theatergründer Max Reinhardt zusammen und gestaltet Bühnenbildentwürfe. 1908 erscheinen seine Schriften Das Erlernen der Malerei. Ein Handbuch von Lovis Corinth und Legenden aus dem Künstlerleben, denen weitere Bücher und Aufsätze zur Malerei folgen. Im gleichen Jahr beginnt Lovis Corinth, sich abermals verstärkt mit der Grafik auseinanderzusetzen.

Er ist bestrebt, auch in diesem Medium, seine zeichnerischen Einfälle unmittelbar umzusetzen, was die von ihm bevorzugten Techniken der Radierung und Lithografie ermöglichen. Ohne vorbereitende Skizze ritzt er mit der Radier- oder Diamantnadel direkt in die Kupferplatte oder zeichnet spontan auf den Stein.

Nach dem Druck der gesamten Auflage ist es üblich, den Lithografiestein abzuschleifen, um ihn wiederverwenden zu können. Dies erklärt, warum sich derartige Steine des Künstlers nicht erhalten haben. Ganz im Gegensatz zur Radierung, bei der Corinth ein solches Vorgehen nicht angewendet hat und sich daher eine Vielzahl der originalen Druckplatten erhalten hat.

Auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Laufbahn, im Alter von 54 Jahren, erleidet Lovis Corinth einen schweren Schlaganfall. Doch trotz einer linksseitigen Lähmung bleibt seine Schaffenskraft beinah ungebrochen. In der Folge entsteht ein malerisches OEuvre, das weit über den Impressionismus hinausgeht und eine Hinwendung zum Expressiven erfährt.

In seinem Spätwerk schließlich widmet sich der Künstler intensiv dem Selbstbildnis, der Landschaftsmalerei und dem Genre des Stilllebens. Vor allem den üppigen und farbenprächtigen Blumenbildern gilt sein Interesse. In seinem Lehrbuch Das Erlernen der Malerei beschreibt Corinth die "žBlumen als das Geschaffenste für Stilleben, [sie] sind delikat und subtil in den Formen ihrer Blüten
und Blätter".

1919 erwirbt die Familie Corinth in den Bayerischen Voralpen, in Urfeld oberhalb des Walchensees, ein Ferienhaus. "žLovis war sogleich von der Schönheit der Landschaft - vom Zauber des Walchensees, der Bergkulisse, des Lichts und der Luft - gepackt", schildert Charlotte Berend-Corinth. Von nun an hält der Künstler die umgebende Landschaft immer wieder in Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Grafiken fest. Sie stellen einen letzten krönenden künstlerischen Abschluss im Werk von Lovis Corinth dar.

Harald Fiebig

Vernissage

Samstag, den 14. Mai, um 17.30 Uhr

Plakat

Mit der Unterstützung von


Werke

Rosen und Nelken | 1912 | Öl auf Leinwand | 54 x 71 cm | Privatsammlung, Norddeutschland

Lovis Corinth | Blumen in zwei Vasen | 1919 | Öl auf Leinwand | 72 x 58 cm | Kulturstiftung Kurt und Barbara Alten, Museo Castello San Materno, Ascona

Lovis Corinth | Selbstbildnis im Atelier | 1918 | Kreide auf Papier | 31,5 x 24,7 cm | Privatsammlung, Norddeutschland

Lovis Corinth | Der apokalyptische Reiter | 1924 | Aquarell und Bleistift auf Papier | 31,4 x 24,9 cm | Privatsammlung, Norddeutschland

Lovis Corinth | Frauenporträt | 1925 | Aquarell, Tusche und Bleistift auf Papier | 34,2 × 25 cm | Privatsammlung, Norddeutschland

Lovis Corinth | Der Künstler und der Tod II | 1916 | Kupferplatte, Kaltnadelradierung | 18 x 12,4 cm | Privatsammlung, Norddeutschland

Lovis Corinth | Tänzerinnen | 1895 | Kupferplatte, Radierung, Vernis mou und Roulette | 14,6 × 19,7 cm | Privatsammlung, Norddeutschland

Lovis Corinth | Tänzerinnen | 1895 | Radierung, Vernis mou und Roulette auf Papier | 14,6 × 19,7 cm | Privatsammlung, Norddeutschland

Veranstaltungen

Führung
durch die Ausstellung Lovis Corinth - Meister der Farbe, Meister der Grafik mit dem Kurator Harald Fiebig

Samstag, den 3. September 2022, um 10.00 Uhr, Museo Castello San Materno, Ascona

Die Führung findet in deutscher Sprache statt.
Die Führung ist für alle AAMA-Mitglieder kostenlos, während Nicht-Mitglieder gebeten werden, den reduzierten Eintrittspreis zu bezahlen.
Die Anmeldung ist bis Donnerstag, 1. September, erforderlich, die Teilnehmerzahl ist auf maximal 20 Personen beschränkt: museo@ascona.ch; Tel. 091 759 81 40.

AAMA